Im Change Management werden Veränderungen an Organisation und Abläufen geplant und begleitet. Das funktioniert mal mehr und mal weniger gut, je nachdem wie komplex die Veränderung ist und wen sie betrifft. Mal wird nur ein Arbeitsablauf für wenige Menschen in der Organisation umgestellt, mal die ganze Organisation auf den Kopf gestellt. Wahrscheinlich kennst du auch Veränderungen auf der Arbeit oder auch im persönlichem Umfeld, die du alleine gestemmt hast und solche, bei denen du mehr oder weniger Unterstützung erfahren hast. Ich stelle mir die Frage, ob Selbstorganisation bei Veränderungen im Organisationsumfeld förderlich oder kontraproduktiv ist.
Veränderungsprozesse in Organisationen
Was meine ich eigentlich, wenn ich von Veränderungen im Organisationsumfeld spreche? Nun, letztendlich geht es oft darum, auf ein anderes Leistungsniveau als gesamte Organisation zu gelangen. Das neue Leistungsniveau kann dabei quantitativ oder qualitativ sein, aber es geht dabei immer um die Organisation als Ganzes, nicht um die Individuen in der Organisation. Jedes Individuum ist von der Veränderung betroffen, aber ob das Individuum nun damit glücklicher ist wie vorher oder nicht, spielt eine untergeordnete Rolle bei der Erreichung eines höheren Leistungsniveaus.
Allen Veränderungen ist es gemein, dass das aktuelle Leistungsniveau absinkt, sobald die Veränderung eintritt. Das ist so, da eine Umstellung auf neue Abläufe und Strukturen erstmal Aufwand und Energie kostet. Ziel von projektbegleitenden Change Management Maßnahmen ist es nun, das Tal der Tränen flach und kurz zu halten und schnell auf ein höheres Leistungsniveau zu gelangen.
Je komplex nun die Veränderung ist, desto komplexer ist auch der Weg aus dem Tal der Tränen und der Beginn einer leistungssteigernden Neu- Organisation. Meine Erfahrung der letzten Jahre zeigt, je mehr Menschen in der Organisation betroffen sind, desto komplexer fällt auch die Neu- Organisation aus. In den letzten Jahren durfte ich verschiedene Projekte in der Digitalisierung begleiten und der Unterschied zwischen der Einführung einer neuen Sales- Cloud, die sich in der Veränderung auf den Vetriebsbereich beschränkt, und einem „Modern Workplace“ mit Kulturwandel, Home Office und digitaler Teilhabe von Produktionsmitarbeitern, ist enorm.
Selbstorganisation zur Neu- Organisation
Der renommierte Hirnforscher Peter Kruse beschreibt Selbstorganisation als effektive Herangehensweise von Menschen zur Neu- Organisation komplexer Systeme. Unser Gehirn ist dafür geschaffen, auch in unübersichtlichen Situationen zu handeln und einen stabilen Zustand anzustreben. Gerade in so komplexen Umgebungen wie der oben beschriebene „Modern Workplace“ scheint Selbstorganisation daher ein verlockendes Vorgehen zu sein, um die ganze Organisation auf ein stabiles und hohes Leistungsniveau im geänderten und gewünschten Ablauf-, Struktur und Kulturrahmen zu sein. Im Change Management beschreiben wir dann sozusagen die Leitplanken und geben einen initialen Impuls in die Organisation. Technisch und auf Ebene von Richtlinien und Anwendungshinweise, die organisationsweit Anwendung finden, bereit das Change Management Team die Veränderung vor. Auf der operativen und individuellen Ebene, organisieren sich Bereiche, Teams und Individuen dann innerhalb dieser Leitplanken neu. Wie soll es auch anders gehen, schließlich kann ein einzelnes Projektteam nicht die lokalen Gegebenheiten innerhalb einer Organisation alle kennen.
So kann ein Projektteam auch in einer hochkomplexen Umgebung dabei unterstützen, eine Veränderung in zu einem gewünschten Zielzustand in die Wege zu leiten. Erreichen tut das Ziel dann jeder einzelne oder einzelne Teams für sich. Das hört sich meisten zuerst einmal gut und valide an. Warum nicht die Fähigkeit der Menschen zur Lösung komplexer Situationen und Herbeiführung stabiler Situationen nutzen?
Meine Erfahrungen der letzten Jahre in all den Veränderungsprojekten zeigt, dass Selbstorganisation oft notwendig wird. Aber eher, weil es das Projektteam nicht schafft, Teams und Individuen in einem Maße zu begleiten, wie das notwendig wäre. Es bleibt vielen oft nichts anderes übrig, als sich innerhalb neuer und aufgezwungener Rahmen zu organisieren. Das sorgt oft für schlechte Laune und verspielt meistens die gutgemeinten Absichten hinter dem Projekt. Das führt letztendlich dazu, dass ein Umsetzungsprojekt zwar schneller und mit weniger Budget im Controlling als erreicht gekennzeichnet wird, aber das erreichte neue Leistungsniveau hinter den Erwartungen zurückbleibt und auch wesentlich länger in der Neu- Organisation benötigt. Überlässt man hingegen die Organisation auf operationaler Ebene nicht sich selbst, sondern plant sich Ressourcen und Zeit zur Begleitung bei der Veränderung ein, wird das neue Leistungsniveau in Summe schneller erreicht und liegt höher.
Ich persönlich glaube daher, dass Selbstorganisation oftmals eher aus der Not geboren wurde und nicht geplant wurde. Mit geplanter Begleitung aller Beteiligten habe ich die beste Erfahrung gemacht. Und du?